Sonntag, 3. Dezember 2017

Polizeiruf 110: Das Beste für mein Kind - Rezension

Der Mord zum Sonntag hat Tradition, deshalb sind auch wir mit Rezension und Live-Tweets (@WatchReadTalkdabei.


Das deutsch-polnische Ermittler-Duo Olga Lenski (Maria Simon) und Adam Raczek (Lucas Gregorowicz) wird in ein Krankenhaus gerufen. Von dort ist der sechs Monate alte Leon Hallmann entführt worden. Seine verzweifelten Eltern Sabine (Katharina Heyer) und Robert (Tobias Oertel) warten darauf, dass sich der Kidnapper meldet, doch schon vier Stunden später wird der Säugling wohlbehalten vor einer polnischen Klinik abgelegt. Bald wird der mutmaßliche Entführer tot aufgefunden. Die Kommissare vermuten, dass beide Verbrechen miteinander zu tun haben, vor allem, nachdem sie herausfinden, dass es sich bei den Hallmanns nicht um Leons leibliche Eltern handelt. Raczek hat derweil Stress zu Hause. Seine Frau Lydia (Julia-Maria Köhler) möchte nicht mehr nur Mutter sein, sondern wieder arbeiten gehen. Er will jedoch, dass alles so bleibt wie bisher.


Reden, ohne etwas zu sagen

In diesem "Polizeiruf" wird sehr viel geredet!
Foto: rbb/Andrea Hansen
Olga Lenski und Adam Raczek gehören zu den unauffälligsten Sonntagskrimi-Teams. Sie wagen keine Experimente und bewegen sich meistens im guten Mittelmaß - Katastrophen waren noch nicht dabei, Meisterwerke aber auch nicht. Bei "Das Beste für mein Kind" ist es ebenfalls nicht anders. Der Fall ist ziemlich unspektakulär. Bereits in der 14. Sendeminute liegt der kleine Leon wieder in den Armen seiner glücklichen Eltern. Die restlichen 74 drehen sich dann um den Mord am Entführer und die Frage, zu wem der Säugling nun eigentlich gehört - seinen leiblichen Eltern oder dem Paar, das sich seit sechs Monaten um ihn kümmert. Spannend ist das nicht. Außer den Hallmanns, Leons Mutter Anna Kowalska (Agnieszka Grochowska) und deren Ehemann Bartosz Kowalski (Piotr Stramowski) wird niemand anderes verdächtigt. Da die vier weitestgehend mit den Kommissaren kooperieren, bestehen die Ermittlungen vor allem aus langen Verhören und dem Austausch von Kalendersprüchen (Lenski: "Es gibt kein richtiges Leben im falschen." Raczek: "Menschen machen Fehler." Lenski: "Man hat immer eine Wahl. Immer... hat man die."). Die Nebenhandlung um Raczek und seine Frau ist sogar noch langweiliger. Bislang wurde Lydia nur erwähnt, nun lernen die Zuschauer sie kennen. Naja, fast, denn viel Dialog hat sie nicht. Nach einer kurzen Diskussion in den ersten Minuten dieses "Polizeirufs", sperrt sie ihren Mann kurzerhand aus dem gemeinsamen Haus aus und tritt dann erst gegen Ende des Films wieder auf.
Adam und Lydia streiten und verzeihen sich wortlos
Foto: rbb/Andrea Hansen
Die ganze Geschichte wirkt hölzern und inspirationslos. Lydia sperrt Adam aus, obwohl er nur wenige Sekunden Zeit hatte, um auf ihre Idee, wieder arbeiten zu gehen, zu antworten. Danach verzeiht sie ihm, ohne diesen Plan noch einmal angesprochen zu haben. Das ist einfach nur unlogisch und lässt die ganze Handlung sinnlos erscheinen, da sie keinerlei Einfluss auf irgendetwas hat und dementsprechend auch einfach hätte gestrichen werden können. Um Kommissar Raczek privat zu zeigen, hätten die Drehbuchautoren Elke Rössler und Jakob Ziemnicki, der auch Regie geführt hat, ihm die Chance geben müssen, vernünftig mit seiner Frau zu sprechen. So erfahren die Zuschauer nichts über die Motive beider Seiten. Die weiblichen Charaktere werden in diesem "Polizeiruf" sowieso nicht sehr vielschichtig dargestellt. Lenski hat deutlich weniger zu tun als ihr Kollege und sitzt meistens nur dabei, während er die polnischen Verdächtigen befragt, obwohl die, wie immer in diesem "Polizeiruf", irgendwann plötzlich alle Deutsch verstehen. Außerdem muss sie es sich gefallen lassen, dass ihr Vorgesetzter Karol Pawlak (Robert Gonera) mutmaßt: "Ich hatte Angst, dass Frau Lenski die Sache zu nah geht - als Mutter." Leons leibliche Mutter Anna wird darauf reduziert, die ganze Zeit mit großen Augen traurig zu gucken und zwischendurch eine kleine Träne zu verdrücken. Adoptivmama Sabine hat einen Wutanfall nach dem anderen. Außer Schreien und Weinen darf sie nur Sätze sagen wie: "Wissen Sie, man fühlt sich so machtlos. Wenn man als Frau kein Kind bekommen kann, dann denkt man immer, der Fehler ist bei einem selbst." Das klingt sehr theoretisch und generalisierend. In Sabines richtige Gefühlswelt erhalten die Zuschauer kaum Einblicke.

Hauptsache ein Kreisverkehr!

Die Ermittlungen laufen eher schleppend
Foto: rbb/Andrea Hansen
Das einseitige und stereotype Verhalten der Charaktere ist nicht der einzige unlogische Punkt in "Das Beste für mein Kind". Scheinbar waren noch nicht genug winterliche Sonntagskrimis sendebereit, denn es wird schon nach wenigen Minuten gesagt, dass Sommerferien seien. Also passt es eher weniger, diesen "Polizeiruf" am ersten Advent zu senden. Mich persönlich stören diese Entscheidungen der ARD-Programmplanung weniger, was mich jedoch ziemlich geärgert hat, ist das Ende. Wie schon letzte Woche im "Tatort: Böser Boden" wird auch dieses Mal kaum Zeit mit der letztendlichen Identifizierung des Mörders verbracht. Zwar wird er, im Gegensatz zum Falke-Krimi, noch von den Kommissaren verhaftet, das letztendliche Motiv bleibt allerdings im Dunkeln. Zwar kann sich der Zuschauer einige verschiedene Gründe ausmalen, doch es wird nichts bestätigt. Dasselbe gilt für die unschuldigen Verdächtigen. Einer von ihnen steigt gegen Ende theatralisch in sein Auto und fährt auf Nimmerwiedersehen davon. Was diese Sequenz genau sollte oder zu bedeuten hatte, wird ebenso wenig erklärt, wie der Verbleib des kleinen Leons oder die Frage, ob Lydia Raczek wieder arbeiten gehen wird. Es wirkt, als sei der "Polizeiruf" zu kurz gewesen und man hätte noch schnell irgendwelche inhaltslosen Schnittbilder hinzugefügt, anstelle sich mit dem Ende mehr Mühe zu geben. Das wohl offensichtlichste Indiz: Die immer wiederkehrenden Luftaufnahmen eines Kreisverkehrs.

Fazit

"Das Beste für mein Kind" ist ein spannungsloser und unaufgeregter "Polizeiruf", der wohl eher Krimi-Traditionalisten anspricht. Die Geschichte ist wenig stringent und endet in einem öden Showdown, bei dem nicht ganz klar wird, was den Mörder zu seiner Tat getrieben hat. Die meisten Charaktere bleiben sehr oberflächlich, was sich vor allem durch hölzerne Dialoge und wenig nachvollziehbare Entscheidungen zeigt. Da der Zuschauer kaum ehrliche Einblicke in die Gedankenwelt der Figuren erhält, wirken sie seelenlos und langweilig. Dennoch ist dieser Krimi kein Reinfall, da er im Gegensatz zu denen der vorherigen Wochen auch ohne Klamauk, völlig überdrehte Handlung und billige Schock-Effekte auskommt. Die Kommissare sind ein gutes Team und tun ihr Bestes, um gegen das öde und löchrige Drehbuch anzukommen.


Nächste Woche sind die Berliner Ermittler Nina Rubin (Meret Becker) und Robert Karow (Mark Waschke) in "Dein Name sei Harbinger" einem Serienmörder auf der Spur. Der einzige Zusammenhang zwischen den Opfern: Sie wurden alle per In-Vitro-Fertilisation in einer Kinderwunsch-Klinik gezeugt.

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