Montag, 1. Januar 2018

Tatort: Mord Ex Machina - Rezension

Der Mord zum Sonntag hat Tradition, deshalb sind auch wir mit Rezension und Live-Tweets (@WatchReadTalkdabei.

Sebastian Feuerbach (Nikolai Kinski), der Justiziar einer mit Daten handelnden Firma, stirbt, als sein selbstfahrendes Auto von einem Parkdeck fährt. Kommissar Jens Stellbrink (Devid Striesow) und seine Kollegin Lisa Marx (Elisabeth Brück) glauben nicht an Selbstmord und finden bald heraus, dass der Wagen gehackt wurde. Gleich mehrere Personen haben ein Motiv, darunter Sebastians Ehefrau Susa (Judith Sehrbrock), sein Geschäftspartner Victor Rousseau (Steve Windolf) und die durchtriebene Hackerin Natascha (Julia Koschitz). Im Laufe der Ermittlung erfährt Stellbrink am eigenen Leib, wie leicht persönliche Informationen online in die falschen Hände geraten können.

Und wieder eine schöne neue Welt 

Kommissar Stellbrink (l.) in seinem vorletzten Fall
Foto: SR
Kaum ein Themenbereich war in den letzten zwei Jahren im "Tatort" so angesagt, wie Digitalisierung, Internet und Datenschutz. Beispiele hierfür sind der Frankfurter "Wendehammer", in dem es um Überwachung in der Nachbarschaft ging, "Borowski und das dunkle Netz" aus Kiel mit einem online buchbaren Mörder sowie der Dresdner YouTube-Krimi "Level X". Da die Thematik mittlerweile sehr ausgelutscht ist, habe ich nicht damit gerechnet, dass es möglich ist, noch einen interessanten, neuen Dreh zu finden. Doch ausgerechnet der immer schwächelnde Saarbrückener "Tatort" hat es geschafft. Anstelle einfach nur vom Horror-Szenario der totalen digitalen Überwachung zu erzählen, lassen die Drehbuchautoren Hendrik Hölzemann und David Ungureit den Kommissar selbst zum Opfer werden. Stellbrink ist ein bisschen naiv im Umgang mit dem Internet ("Scheiß Computer! Wie soll man denn da irgendwas herausfinden, wenn keiner irgendwo irgendwas wirklich macht? Wenn alle nur noch auf irgendwelche Buttons klicken!"). Dennoch ist er nicht ansatzweise so planlos und unwissend wie viele seiner Krimi-Kollegen. So artet dieser "Tatort" zum Glück nicht wieder in eine Erklärstunde bezüglich Internetsicherheit aus, sondern bietet ein spannendes Beispiel zu diesem Thema. Die Hackerin Natascha beweist Stellbrink, wie leicht es ist, an bestimmte Informationen zu kommen. Unter falschem Namen chattet sie mit ihm und erhält über eine virenverseuchte Datei Zugang zu seinem Computer. Die Szene, in der Natascha dem geschockten Kommissar das Ergebnis ihrer Hackerattacke präsentiert, ist schlicht, aber beunruhigend realistisch. In nüchternem Tonfall zählt sie einige sehr private Informationen auf, die sie über ihn herausgefunden hat, während Stellbrink langsam die Gesichtszüge entgleisen. "Mord Ex Machina" beweist, dass es für Gänsehaut und Grusel nicht unbedingt Geister oder Zombies braucht, sondern manchmal einfach einen genaueren Blick auf die Tatsachen. Ich finde diesen Ansatz wirklich gut und war angenehm überrascht, wie wenig das Thema Digitalisierung aufgebauscht und künstlich skandalisiert wurde. Stattdessen ist der "Tatort" sachlich, ohne belehrend zu wirken.

Aufwachen, bitte!

Dubois (l.) und Emmrich (M.) haben wenig zu tun
Foto: SR/Manuela Meyer
Die altbekannten Charaktere des Saarbrückener "Tatorts" hinken der soliden Handlung leider noch hinterher. Lisa Marx ist seit dem zweiten Fall des Teams nur noch Komparsin und sicherlich jedes Jahr die Sonntagskrimi-Kommissarin mit der geringsten Screentime und dem wenigsten Text. In den ersten Minuten von "Mord Ex Machina" spricht sie mehr, als in den letzten paar Folgen zusammen - nur um dann für den Rest der Folge wieder schweigsam im Büro zu sitzen oder gar nicht erst da zu sein. Stattdessen bettelt Stellbrink um die Hilfe von Kommissaranwärterin Mia Emmrich (Sandra Maren Schneider), aber auch sie ist mehr Requisit als Ermittlerin. Diese Entwicklung fand ich beim Saarbrückener "Tatort" schon immer schade. Stellbrink ist nicht charismatisch und durchsetzungsfähig genug, um 88 Minuten alleine zu stemmen. Daher werden ihm seit der ersten Folge mehr oder weniger nutzlose weibliche Charaktere zur Seite gestellt, neben denen sogar er pfiffig und aufgeweckt wirkt. Allen voran Staatsanwältin Nicole Dubois (Sandra Steinbach), die noch in keinem Fall mehr getan hat, als den Ermittlern keifend klar zu machen, dass sie jeden mächtigen, einflussreichen Verdächtigen mit Samthandschuhen anfassen sollen.
Zeit für Kaffee und Smothies hat Stellbrink immer
Foto: SR/Manuela Meyer
Kommissar Stellbrink selbst hat sich ein wenig gebessert. Den bunt gekleideten, pflanzenliebenden Hippie mit knallroter Vespa gibt es nicht mehr. Er trägt jetzt gedeckte Farben und fährt Motorrad. Äußerlich wirkt er nun deutlich mehr wie ein echter Kriminalbeamter, aber vom Wesen her kann ich ihn immer noch nicht ganz ernst nehmen. In "Mord Ex Machina" zeichnet sich der Ermittler vor allem durch seine extrem laute Sprechweise aus. Die Hälfte seiner Texte schreit er mehr als dass er sie spricht. Das ist ziemlich nervig und lässt den Kommissar einiges an Glaubwürdigkeit einbüßen. Er wirkt so konzentriert, als sei er im Schultheater und wolle sicherstellen, dass auch die hinteren Reihen alles verstehen. Der Versuch, Stellbrink in seinem vorletzten Fall noch ein wenig interessanter zu machen, erscheint ebenfalls sehr bemüht. Innerhalb weniger Minuten erfährt der Zuschauer von der verheimlichten Epilepsie-Erkrankung des Kommissars (Die ehemalige Kieler "Tatort"-Kommissarin Sarah Brandt lässt grüßen!) und dass er seinem Mentor Sterbehilfe geleistet hat. Außerdem ist Stellbrink weiterhin in Online-Dating-Portalen unterwegs ("Ich arbeite viel! Ich komme deswegen selten raus und ich möchte deshalb trotzdem nicht allein sein!") - obwohl er sich dadurch in einer der letzten Folgen versehentlich mit seiner Kollegin Marx verabredet hatte. Bei so viel Digitalisierung und Charakterzeichnung gerät der Mordfall schnell in Vergessenheit. Dementsprechend zaubern die Drehbuchautoren in den letzten Minuten das in Krimis berühmt-berüchtigte Video hervor, das den gesamten Mord inklusive des Mörders zeigt, aber leider erst sehr spät gefunden wird. In Stellbrinks Fall ist dieser erzählerische Ausweg sogar doppelt albern, da der entscheidende Beweis die ganze Zeit in seiner Nähe war.


Fazit

"Mord Ex Machina" ist für Saarbrückener Verhältnisse ein solider Film. Die relativ ausgelutschten Themen Digitalisierung, Datenspeicherung sowie Privatsphäre werden realitätsnah und informativ dargestellt, ohne dabei in einen Lehrfilm abzurutschen. Dieser Fall ist einer der wenigen, in denen das persönliche Involvieren eines Ermittlers tatsächlich Nährwert hat. Stellbrink wirkt nicht verloren in der digitalen Welt, wie viele seiner "Tatort"-Kollegen, doch er ist auch kein Spezialist. So tappt er leicht in die Falle eines Hackers. Damit repräsentiert er die Mehrheit der Zuschauer und ist ein beunruhigendes, reales Beispiel für die Gefahren des Internets. Als Charakter kann er jedoch aufgrund seiner affektierten Art noch immer nicht überzeugen - genauso wenig wie seine weiblichen Kolleginnen, die allesamt blass und im Hintergrund bleiben. Der eigentliche Krimi kommt insgesamt zu kurz. Stellbrink ermittelt nicht wirklich, er unterhält sich eher nett mit den Verdächtigen. Den Täter fasst er letztendlich nur, da er durch einen arg konstruierten Twist in den Besitz eines Videos gelangt, das den Mord zeigt.


Der erste reguläre "Tatort" im Jahr 2018 kommt aus Ludwigshafen. Kommissar Mario Kopper (Andreas Hoppe) gerät in seinem letzten Fall in den Fokus der Mafia. Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) und Johanna Stern (Lisa Bitter) fragen sich, was mit ihrem Kollegen los ist.

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