Sonntag, 25. Februar 2018

Tatort: Borowski und das Land zwischen den Meeren - Rezension

Der Mord zum Sonntag hat Tradition, deshalb sind auch wir mit Rezension und Live-Tweets (@WatchReadTalkdabei.


Kommissar Klaus Borowski (Axel Milberg) wird von seinem Chef Roland Schladitz (Thomas Kügel) auf die beschauliche Insel Suunholt geschickt, um die Todesumstände von Oliver Teuber (Beat Marti) aufzuklären. Der war vor einigen Monaten in einen Kieler Korruptionsskandal verwickelt, verschwand aber spurlos vor dem Prozess. Nun ist er wieder aufgetaucht: ertrunken in der Badewanne seiner neuen Lebensgefährtin Famke Oejen (Christiane Paul, Paranoid). Für die völlig aufgelöste Frau steht fest: Die Inselbewohner haben ihnen das Glück nicht gegönnt und daher ihren Liebsten umgebracht. Die potenziellen Verdächtigen, darunter ihre Ex-Affäre Torbrink (Yorck Dippe) und Schweinezüchter Iversen (Marc Zwinz), können über die Anschuldigungen nur müde lächeln. Im Dorf ist Famke aufgrund ihres hohen Männerverschleißes verschrien. Die lokalen Polizisten Maren Schütz (Anna Schimrigk) und Gunnar Peters (Jörn Hentschel) schenken den Theorien der Trauernden ebenfalls wenig Beachtung. Borowski wird jedoch in den Bann der Frau gezogen und lässt alle professionelle Distanz außer Acht.

Keine Erklärungen, dafür viele Klischees

Die ganze Handlung wirkt verloren
Foto: NDR
Nach dem letzten Fall aus Kiel "Borowski und das Fest des Nordens" ist Kommissarin Sarah Brandt (Sibel Kekilli) sang- und klanglos ausgestiegen. Da die Reihenfolge der Erstausstrahlungen verändert wurde, war ihr Abschied für den Zuschauer nicht wirklich schlüssig. In dieser Folge gibt es auch keine Erklärung. Borowskis Partnerin ist einfach nicht mehr da und Kriminalrat Schladitz will, dass er sich einen Stapel Bewerbungen ansieht. Wer das Rennen macht, wird im "Tatort" nicht verraten, bekannt ist es aber sowieso schon: Demnächst wird Almila Bagriacik als Mila Sahin das Kieler Team unterstützen. Borowskis aktuelle Einsamkeit tut ihm jedenfalls gar nicht gut. Normalerweise ist er ein bodenständiger, gründlicher und manchmal etwas schlecht gelaunter Ermittler, der ohne viel Drama auskommt. In dieser Folge verhält er sich jedoch völlig untypisch. Er schleicht gelangweilt durch den Fall, überlässt den ortsansässigen Polizisten einen Großteil der Arbeit und unterwirft sich Famkes Charme (Borowski: "Ich hatte keinen Sex mit ihr. Ich habe nicht mit ihr geschlafen, nein, nein. Aber wir sind uns nah gekommen. [Schladitz brummt] Jetzt lenk' nicht ab, Roland!"). Nur Borowskis Verschlossenheit ist unverändert. Der Zuschauer erfährt nicht, wieso sich der Ermittler so seltsam verhält. Er wirkt weder traurig, noch nachdenklich, noch ehrlich verliebt. Das macht es schwer, seinen Sinneswandel ernst zu nehmen. Was genau er an Famke so faszinierend findet, wird ebenfalls nicht klar. Eine ähnlichen Handlungsstrang hat es vor wenigen Monaten im Bremer "Tatort: Zurück ins Licht" gegeben. Kommissar Stedefreund war damals auch einer verdächtigen Femme fatale verfallen. Während der aber beseelt war vor Liebe und Leidenschaft, verhält sich Borowski nicht emotionaler als sonst. Er kuschelt nachts mit Famke, die ganze Szene erscheint jedoch sehr steif und kühl. Das ist die Trauernde aber sowieso. Sie scheint viele Geheimnisse zu haben, von denen der Zuschauer allerdings mal wieder nichts erfährt. Wovon lebt sie beispielsweise? Sie jobbt als Aushilfe in der Bäckerei, geht dieser Tätigkeit aber nicht gerade sorgfältig nach (Famke: "Ich habe in der Bäckerei angerufen und Bescheid gesagt, dass ich nicht komme." Borowski: "Warum?" Famke: "Mir war nicht danach."). Sie gibt praktisch nichts über sich preis. Dadurch wirkt sie nicht mysteriös, wie es von den Drehbuchautoren Peter Bender, Ben Braeunlich und Sven Bohse vermutlich angedacht war, sondern einfach nur farblos.


Mehr Spannung? Noch ein paar Liter Blut!

Schade, dass Schütz nicht Borowskis neue Partnerin wird
Foto: NDR/Christine Schroeder
Alle anderen Charaktere entsprechen den Klischees, die jeder Insel-Krimi zeichnet, der nicht gerade auf Sylt spielt: Die Suunholter sind einfältig, engstirnig und weltfremd, tragen Wollkleidung in Naturfarben und verbringen ihre Freizeit in der einzigen Dorfkneipe. Nur Margot Hilse (Heike Hanold-Lynch) wird etwas differenzierter dargestellt. Dafür ist die streng religiöse Frau so stark überzeichnet, dass sie noch unglaubwürdiger erscheint als ihre Nachbarn. Sie hält flammende Reden über den Teufel - ihrer Auffassung nach Famke Oejen - und wirkt wie aus einem anderen Jahrhundert. Mich hat sie stark an Mary Lou Barebone erinnert, die ihre Mitmenschen im Film "Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind" zur Hexenverfolgung anstachelt. Deren wenig gesprächiger, gruseliger Sohn Credence ähnelt wiederum Hilses stummem, beunruhigenden Gehilfen Daniel (Leonard Carow). Bei den Charakteren gibt es nur einen Lichtblick: die Polizistin Maren Schütz. Sie ist als Einzige auf der Insel lebendig. Alle andere wirken lethargisch und gelangweilt. Sie stürzt sich währenddessen mit viel Enthusiasmus in die Ermittlungen und versucht erfolglos, die Menschen in ihrem Umfeld aufzuwecken (Schütz: "Was halten Sie denn von einer ersten Besprechung, so um 12? Dann lernen wir uns alle mal kennen." Borowski: "Das ist eine nette Idee, aber ich muss los. Ich habe eine Verabredung. Sagen Sie den Kollegen doch einfach 'Hallo'."). 
Oliver Teubers Tod ist qualvoll und dramatisch
Foto: NDR/Christine Schroeder
Vor dem Fernseher ist es zeitweise ebenfalls nicht leicht, wach zu bleiben. Bereits die Anfangsszene ist ein wahrer Kraftakt. Regisseur Sven Bohse lässt Famke aus dem Off die "Halligfahrt" von Theodor Storm rezitieren, unterlegt von Meeresrauschen. Nicht gerade ein Muntermacher. Der Rest des Krimis ist auch eher ruhig. Düsterer Himmel, Meer, Gespräche, schlafende Charaktere, Autofahrten... und zwischendurch jede Menge Blut! Obwohl "Borowski und das Land zwischen den Meeren" einer der verschlafensten Krimis der letzten Wochen ist, hat er dennoch einige wirklich abgebrühte Gewaltszenen. Oliver Teubers Todeskampf in der Badewanne wird beispielsweise komplett gezeigt. Seine strampelnden und schließlich erschlaffenden Beine stellen die Hilflosigkeit sehr anschaulich dar. Kleiner Spoiler: Er ist bei Weitem nicht der einzige Tote in diesem "Tatort" und die anderen sterben auf noch deutlich grausamere Weisen. Hier scheint das Motto wohl gewesen zu sein: Was hält den Krimifan besser wach als literweise Blut? In einer Szene liegen zwei geschundene Leichen mit gefalteten Händen in ihren eigenen Körperflüssigkeiten, während im Hintergrund ein Kirchenchor ein düsteres Lied schmettert. Die Szene hätte auch im Frankfurter Horror-Krimi "Fürchte dich" vorkommen können.

Fazit

"Borowski und das Land zwischen den Meeren" ist für Kieler Verhältnisse schwach. Das liegt vor allem an den blassen, lieblosen Charakteren, die sich wie Zombies durch die Handlung schleppen und keinen Einblick in ihre Gefühle geben. Der Zuschauer kann nur vermuten, was in ihren Köpfen vorgeht. Die Liebelei zwischen dem Kommissar und der trauernden Verdächtigen wirkt erzwungen und aus der Luft gegriffen, da keiner der beiden echte Emotionen zeigt. Der Kriminalfall ist ebenfalls sehr unmotiviert. Bis auf ein paar grafische Todesszenen gibt es so gut wie keine Spannung. Stattdessen wird die Laufzeit mit zahlreichen Landschaftsaufnahmen, schlecht animierten Traumsequenzen und Textstellen aus einer Novelle des 19. Jahrhunderts überbrückt. Diesen "Tatort" kann leider auch die erfrischende, witzige Dorfpolizistin nicht mehr retten. 


Nächste Woche läuft der Krimi, auf den vermutlich niemand gewartet hat. In "Waldlust" improvisiert das Ludwigshafener Team um Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) und Johanna Stern (Lisa Bitter) zum zweiten Mal einen "Tatort". Schauplatz ist ein Hotel im Schwarzwald, wo die Ermittler eigentlich ein Coaching-Wochenende verbringen sollen. Als sie aber einen menschlichen Knochen im vegetarischen Abendessen finden, begeben sie sich auf Spurensuche - ohne Drehbuch.

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