Sonntag, 18. Februar 2018

Tatort: Meta - Rezension

Der Mord zum Sonntag hat Tradition, deshalb sind auch wir mit Rezension und Live-Tweets (@WatchReadTalkdabei.


Als der Berliner Kommissar Robert Karow (Mark Waschke) am Morgen in sein Büro kommt, erwartet ihn eine böse Überraschung: Auf seinem Schreibtisch steht ein Paket, in dem er den abgetrennten Finger einer jungen Prostituierten findet. Gemeinsam mit seiner Kollegin Nina Rubin (Meret Becker) verfolgt Karow den Absender zurück zu einem Lagerhaus. Dort wird noch eine Kiste aufbewahrt, in der die neunfingrige Leiche in Formaldehyd schwimmt. Die Standfläche wurde von einer Produktionsfirma angemietet, deren bisher einziger Film "Meta" auf der gerade eröffneten Berlinale Premiere feiert. Rubin und Karow sind geschockt, als sie den Trailer anschauen: Es geht um zwei Kommissare, die einen Finger zugeschickt bekommen, in einem Lagerhaus die dazugehörige Leiche finden und feststellen, dass es einen Film gibt, der dieselbe Geschichte erzählt. Bei der Premiere befragen die Ermittler Regisseur Michael Schwarz (Isaak Dentler), der zugibt, das Drehbuch nicht selbst verfasst zu haben. Es stammt von Eigenbrötler Peter Koteas, der darauf geachtet hatte, dass sich der Film akribisch an seine Vorlage hält. Karow wird hellhörig: In "Meta" gibt es einen Charakter namens Peter Koteas (Simon Schwarz), der ein Drehbuch über seinen Auftragsmord an einer jungen Prostituierten geschrieben hat.

Klingt kompliziert, ist es auch!

Leider nur eine Berlinale-Szene
Foto: rbb
Um eins vorwegzunehmen: Dieser "Tatort" ist nur den Zuschauern zu empfehlen, die sich vollkommen auf die Handlung konzentrieren wollen und nicht vorhaben, nebenher Candy Crush zu spielen, zu stricken oder ein Ikea-Regal zusammenzubauen. Denn wer denkt, die Inhaltsangabe oben sei komplex, der wird spätestens um 20:30 Uhr feststellen, dass "Meta" noch um einiges komplexer ist. Eine vollständige Zusammenfassung ist praktisch gar nicht möglich, da der Fall auf drei Ebenen stattfindet: Zum einen Rubins und Karows Ermittlungen im Todesfall der jungen Prostituierten; dann die Handlung des Films, in dem die fiktiven Kommissare Rolf Poller (Ole Puppe) und Felix Blume (Fabian Busch) ihren Prostituiertenmord aufklären und als letztes der fiktive Film im fiktiven Film, den Poller und Blume für das Geständnis ihres Mörders halten. Da jede Ebene einen Film mit derselben Handlung enthält, gibt es theoretisch eine unendliche Kette von Kommissaren, die anderen Kommissaren beim Ermitteln zusehen. Visuell kommt das in einer Szene besonders gut zur Geltung. Karow sitzt in einem leeren Kinosaal und schaut sich "Meta" an. An einer Stelle im Film setzt sich der fiktive Kommissar Poller ebenfalls vor eine Leinwand und sieht in seiner Version von "Meta" die Szene, in der sich der fiktive Ermittler auf einen Kinosessel fallen lässt. Zum Glück belässt es der echte "Tatort"-Drehbuchautor Erol Yesikaya bei diesen drei Ebenen, ansonsten hätte er vielleicht ein Loch ins Raum-Zeit-Kontinuum gerissen (Damit kennt sich Karow-Darsteller Mark Waschke ja aus. In der "Netflix"-Serie Dark spielt er den mysteriösen Zeitreisenden Noah.). So verrückt dieses Konzept auch sein mag, neu ist es beim Sonntagskrimi nicht. 2015 traf Kommissar Felix Murot im Wiesbadener "Tatort: Wer bin ich?" auf seinen Darsteller Ulrich Tukur, der am Rande der Dreharbeiten in einen Mordfall verwickelt wurde. Im Gegensatz zu der damaligen Folge macht "Meta" nicht den Fehler, sich in zu abstrusen und wirren Wendungen zu verstricken. Obwohl die Handlung vielschichtig ist, steht die Mordermittlung immer im Fokus. Karow spinnt sich immer mehr in die fiktive Welt hinein ("Der Film führt uns zur Wahrheit!"). Rubin bleibt währenddessen am Boden und versucht eine logische Erklärung für die Vorkommnisse zu finden. Diese verschiedenen Sichtweisen erleichtern es dem Zuschauer, sich nicht wie der Kommissar völlig in der Geschichte zu verlieren und stattdessen alles kritisch zu hinterfragen. Dadurch bleibt der "Tatort" immer noch im Kern ein Krimi und rutscht nicht völlig in die experimentelle Schiene ab, wie beispielsweise der Frankfurter "Fürchte dich".

Auf jeden Fall den Abspann gucken!

Die drei zentralen Ebenen des Films in einem Bild
Foto: Screenshot
Stimmig und spannend ist "Meta", realistisch dafür überhaupt nicht. Ständig verschwimmen die Grenzen zwischen Film und Wirklichkeit. Das stellt Regisseur Sebastian Marka auch visuell sehr eindrucksvoll nach, indem er Karow eins zu eins dieselben Schritte tun lässt wie sein fiktives Vorbild Kommissar Poller. Dabei wird immer wieder zwischen den beiden Männer hin- und hergeblendet. Das funktioniert leider nur noch durch eine Menge Zufälle und erinnert stark an die BBC-Serie "Sherlock". Deren titelgebende Hauptfigur weiß ebenso wie Peter Koteas ganz genau, wie sich ihm unbekannte Personen verhalten werden. Rubin und Karow folgen blind dem für sie geplanten Muster - alles funktioniert und geschieht genau wie in "Meta". Das ist einfach unrealistisch. Jede noch so kleine Abweichung in den Ermittlungen hätte verhindern können, dass der Film Realität wird. Durch die vielen Zufälle wirkt die Handlung sehr konstruiert. Das ist zwar schade, spielt aber keine große Rolle, da der "Tatort" ansonsten unterhaltsam ist. Die wohl beste Szene bleibt den Zuschauern vorbehalten, die bis zur letzten Sekunde vor dem Bildschirm hängen. Im Abspann schlägt "Meta" nämlich noch einen wirklich kreativen und cleveren Haken, durch den die mangelnde Auflösung am Ende sofort vergessen ist.
Die Kommissare halten notgedrungen zusammen
Foto: rbb/Reiner Bajo
Trotz des extrem komplexen Falls bleibt Zeit, um Rubins familiäre Probleme zu thematisieren, die seit der ersten Folge bestehen und wohl auch noch bis zur letzten durchgekaut werden. Im vorherigen Berliner "Tatort: Dein Name sei Harbinger" hat Rubin ihren älteren Sohn Tolja zu seinem Vater abgeschoben, nachdem er ihr zu anstrengend geworden war. In "Meta" kämpft sie nun darum, ihren jüngeren Sprössling Kaleb (Louie Betton) bei sich zu behalten, denn der möchte zu seinem Vater und seinem Bruder ziehen. Wie auch in den letzten Episoden ist der Konflikt langatmig und kommt zu keinem nennenswerten Ergebnis. Außerdem zeigt er, was für ein seltsamer Charakter die Kommissarin ist. In jedem "Tatort" verhält sie sich anders und trifft wichtige Entscheidungen so schnell und haltlos, dass sie für den Zuschauer nicht nachvollziehbar sind. Anstelle sich jedoch konsequent auf Kaleb zu fokussieren, hat es sich Nina nun nach sieben gemeinsamen Fällen in den Kopf gesetzt, Karow näher zu kommen (Rubin: "Kriegen wir das hin, nicht nur Kollegen zu sein? Sondern Kumpels oder sowas? Irgendwann?" Karow: "Sicher, gerne, aber heute, glaube ich, nicht mehr, oder?"). Diese Nebengeschichten wären besser in einem "Tatort" mit klassischer Mordermittlung aufgehoben gewesen. In "Meta" gibt es zu viele Ebenen, zu viel Erklärungsbedarf und zu viele interessante Details, um Platz für platte Standard-Konflikte zu machen. Die groß angekündigten Szenen bei der Berlinale 2017 fallen beispielsweise leider sehr kurz aus. Die Kommissare laufen über den roten Teppich und das war es dann auch schon fast. Ein so spannender und außergewöhnlicher Schauplatz hätte definitiv mehr Beachtung verdient!

Fazit

Seit einigen Jahren scheinen viele "Tatort"-Zuschauer zu denken, dass ein "Experiment" automatisch für schlechte Qualität steht. "Meta" ist der Gegenbeweis. Die Handlung ist zwar nicht realistisch, aber dafür vielschichtig, kreativ und aufregend. Dabei gerät der Kriminalfall nie in Vergessenheit, er wird nur durch eine ungewöhnliche Perspektive erzählt. Die Metaebene ist hier deutlich besser gelungen als 2015 beim Wiesbadener Team. Das liegt vor allem an der tollen optischen Darstellung und der Tatsache, dass sich die Geschichte nie vollkommen in der Fiktion verliert. Zu entscheiden, was nun eigentlich Realität und was filmische Dichtung ist, bleibt dem Zuschauer selbst überlassen. Das zeigt spätestens die grandiose Extra-Szene im Abspann. Lediglich Rubins langweiliges Familiendrama, der verschenkte Schauplatz Berlinale und die vielen Zufälle schmälern das Fernseherlebnis ein wenig.


Nächste Woche muss der Kieler "Tatort"-Kommissar Klaus Borowski (Axel Milberg) nach dem Weggang seiner langjährigen Kollegin Sarah Brandt (Sibel Kekilli) alleine ermitteln. "Borowski und das Land zwischen den Meeren" führt ihn nach Suunholt, eine kleine Nordseeinsel in der Nähe von Dänemark. Dort wurde ein Mann ermordet, der vor Jahren die Schlüsselfigur in einem Korruptionsskandal war. Dessen exzentrische und leidenschaftlich trauernde Freundin zieht Borowski in ihren Bann.

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