Sonntag, 7. Januar 2018

Tatort: Kopper - Rezension

Der Mord zum Sonntag hat Tradition, deshalb sind auch wir mit Rezension und Live-Tweets (@WatchReadTalkdabei.


Kommissar Mario Kopper (Andreas Hoppe) trifft auf der Straße zufällig seinen alten Kumpel Sandro Giangreco (Michele Cuciuffo). Die beiden verbringen den Abend gemeinsam in einer Bar und lassen ihre Jugend Revue passieren, als ein bewaffneter Mann auf Sandro losgeht. In Notwehr erschießt Mario den Angreifer und wird von seinem Freund überredet, sich nicht zu stellen. Während die Kommissarinnen Lena Odenthal (Ulrike Folkerts) und Johanna Stern (Lisa Bitter) in dem Tötungsdelikt ermitteln, erfährt Kopper mehr über das Leben seines alten Freundes. Er war Teil der Mafia und möchte nun gegen den in Ludwigshafen lebenden Antonio Primavera (Ciro de Chiara)Drahtzieher mehrerer Morde, aussagen. Oberstaatsanwalt Benninger (Andreas Leupold) schmettert Sandros Aussage jedoch ab und verweigert ihm den Zeugenschutz. Daraufhin dreht der Ex-Mafioso durch und bringt Kopper in Lebensgefahr.


Ciao, Mario! Wer war das gleich nochmal?

Kopper - zum ersten Mal seit Langem in Action
Foto: SWR/Roland Suso Richter
Seit 1996 ermitteln Kopper und Odenthal zusammen - fast genauso lange wie ich auf der Welt bin. Nach 22 Jahren ist beim Ludwigshafener "Tatort" die Luft raus. Sowohl beim Publikum als auch bei den Kritikern konnten die Fälle schon lange nicht mehr punkten. Besonders für die letzte Folge namens "Babbeldasch" gab es vernichtende Kritik. Der Krimi hatte kein herkömmliches Drehbuch, sondern wurde größtenteils improvisiert. Dazu kamen Laiendarsteller, eine krude Geschichte und seltsame Traumsequenzen, in denen das Mordopfer Lena Odenthal anfeuerte, ihren Mörder zu finden. In der Folge hatte Kommissar Kopper nur eine kleine Rolle und war deutlich seltener zu sehen als die meisten Laiendarsteller. Auch in den Fällen davor spielte er hinter seiner langjährigen Partnerin und ihrer neuen Kollegen Stern die dritte Geige. Selbst in seiner nach ihm benannten Abschiedsfolge steht er nicht wirklich im Mittelpunkt. Während die Kommissarinnen ermitteln, beschränkt sich Koppers Aufgabe größtenteils darauf, Sandros anonymer Video-Zeugenaussage zu lauschen und zwischendurch eine Frage zu stellen. Damit ist seine Stimme auf der Aufnahme zu hören, obwohl er eigentlich verheimlichen will, dass er seinem ehemaligen Freund hilft. Nicht sein einziger Fehler, denn in der ganzen Folge wirkt Kopper sehr unorganisiert, unüberlegt und naiv (Stern zu Odenthal: "Hier werden Freundschaften ausgenutzt - die von Kopper, deine. So funktioniert die Mafia."). 
Einen richtigen Abschied von Lena gibt es nicht
Foto: SWR/Roland Suso Richter
Zwar bekommt Kopper letztendlich sein Happy End, doch der Zuschauer sieht davon wenig. Zwei eingeblendete Sätze erklären Marios Verbleib nach der Aufklärung des Falls, dazu ein paar Aufnahmen des lächelnden Kommissars... Damit ist seine Geschichte zu Ende erzählt. Das wirkt eher wie ein Laien-Krimi aus dem Nachmittagsprogramm der privaten Sender als ein würdiger Abschied nach 22 Dienstjahren beim "Tatort". Koppers Verlobte Maria, die von der Mafia bedroht wird, darf nicht einmal einen einzigen Satz sagen - aber Hauptsache, der Zuschauer erfährt, dass Revier-Assistentin Edith Keller (Annalena Schmidt) einen Tai-Chi-Kurs belegt! Drehbuchautor Patrick Brunken gewährt Mario nicht einmal eine Abschiedsszene mit seinen Kollegen. Ich mochte den Ludwigshafener "Tatort" und auch Kopper als Charakter nie, aber das trostlose Ende hat mich dennoch enttäuscht. Die Auflösung des Falls ist ebenfalls schlicht. Obwohl gleich mehrere Polizeiwagen und das SEK auftauchen, gibt es keinen Showdown. Die Situation entschärft sich nach wenigen Sekunden von selbst und die Frage, wie Kopper letztendlich einer Strafe entgangen ist, wird einfach unter den Tisch fallen gelassen. 



Mafia-Krieg in Rheinland-Pfalz

Zwei ganz coole Gangster: Sandro (l.) und Mario
Foto: SWR/Roland Suso Richter
Dabei ist der Kriminalfall für Ludwigshafener Verhältnisse sogar recht spannend. Gleich zu Beginn bringt sich ein Mafia-Kronzeuge im Gefängnis um. Wie er sich splitternackt auszieht (Gibt es dafür einen Grund?) und am Gitter seines Fensters aufhängt, zeigt Regisseur Roland Suso Richter detailliert und in Großaufnahme. Das zusätzliche Aufschneiden der Pulsadern muss der Zuschauer dann nicht mehr mitansehen. Die Kommissare bekommen ebenfalls einiges ab. Kopper opfert seinen geliebten Fiat, um Sandro von der Flucht abzuhalten, Sterns Zwillingsmädchen werden bedroht und Odenthal muss ihre Kollegen belügen, um Mario zu schützen. Wie realistisch der Fall letztendlich ist, steht zur Diskussion. Laut dem "Tatort" ist Ludwigshafen scheinbar eine Hochburg der sizilianischen Mafia (Karin Manz (Saskia Vester): "Noch töten die keine deutschen Polizisten. Das ist auch gar nicht nötig."). Meine kurze Internetrecherche hat ergeben, dass es 1993 im nah gelegenen Mannheim einen Mord gab, der vermutlich von der Mafia verübt wurde. Ansonsten wirkt Ludwigshafen, immerhin 2000 Kilometer von Sizilien entfernt, nicht wirklich wie das deutsche Corleone. Das hält den "Tatort" allerdings nicht davon ab, so zu tun, als wäre er ein Gangsterfilm: Die Ermittler finden Drohungen vor ihren Haustüren; Mafiosi sind Besitzer edler italienischer Restaurants, in denen Justiz und Politik freundschaftlich ein- und ausgehen; in Ungnade gefallene Mitglieder beider Seiten verstecken sich in Hotelzimmern, von denen aus sie ihre Rache oder das Reinwaschen ihres Namens planen... Wie in einem waschechten Hollywood-Streifen werden Szenen, die die Logiklöcher aufdecken würden, auch einfach ausgelassen. So hält Kopper ohne Waffe und Dienstausweis ein Auto an, in der nächsten Sekunde sitzt er auf dem Fahrersitz. Wie hat er den Halter davon überzeugt, seinen Wagen aufzugeben?!? Auch soll Odenthals Team das einzige sein, das im Einsatz ist. Gut, dass die beiden anfänglichen Todesfälle zusammenhängen, sonst wäre ziemlich viel Arbeit auf die Ermittler zugekommen! Ignoriert man jedoch die inhaltlichen Schwächen, ist der Fall ganz passabel, auch wenn es keine klassische Mordermittlung ist.

Fazit

Im Vergleich zu allen "Tatort"-Folgen ist "Kopper" ein durchschnittlicher Krimi, gemessen an den vorherigen Folgen des Ermittlerteams jedoch eine deutliche Steigerung - wie "Mord Ex Machina" in der letzten Woche. Der Fall um die Mafia-Strukturen in Ludwigshafen hat zwar einige Logikschwächen, ist aber unterhaltsam. Die Kommissare arbeiten so effizient wie seit Jahren nicht mehr und wirken deutlich engagierter als sonst. Dem scheidenden Kopper wird die Folge allerdings nicht gerecht. Er hat eine größere Rolle als in den vergangen Episoden. Allerdings trägt er wenig zur Auflösung des Falls bei und über sein Gefühlsleben erfährt der Zuschauer so gut wie nichts. Koppers Leben im Ruhestand wird am Ende in wenigen Sekunden halbherzig erzählt, seine spätere Ehefrau nicht einmal richtig vorgestellt. Für Ludwigshafen ist es ein ungewöhnlich guter "Tatort", für den scheidenden Mario leider nur ein müdes Winken zum Abschied.


Nächste Woche jagen die Wiener Ermittler Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und Bibi Fellner (Adele Neuhauser) in "Die Faust" einen Serienmörder, der seine geschändeten Opfer an öffentlichen Plätzen zur Schau stellt.

Folgt uns auf FacebookTwitter und Instagram, um diese und weitere Rezensionen nicht zu verpassen.
Alle bisherigen Posts zum Thema "TV" findet ihr hier.



0 Kommentare:

Kommentar veröffentlichen